Der BGH hat bereits 2017 (Urteil vom 29.03.2017, Az. IV ZR 533/15) entschieden, dass eine Lasik-Operation an den Augen bei Myopie medizinisch notwendig sein kann. Dabei muss sich der Patient nicht auf das Tragen von Brillen oder Kontaktlinsen verweisen lassen:
„Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kann die medizinische Notwendigkeit der Operation dabei nicht bereits mit Hinweis auf die Üblichkeit des Tragens einer Brille oder von Kontaktlinsen verneint werden.
aa) Das Tragen einer Sehhilfe stellt in Bezug auf die Fehlsichtigkeit der Klägerin keine Heilbehandlung dar. Brillen und Kontaktlinsen sind lediglich Hilfsmittel, mit denen körperliche Defekte über einen längeren Zeitraum ausgeglichen werden. Mit der Sehhilfe wird demnach – für den Einsatz von Hilfsmitteln kennzeichnend – unmittelbar eine Ersatzfunktion für ein krankes Organ wahrgenommen, ohne dessen Funktionsfähigkeit wieder herzustellen (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 1986 – IVa ZR 78/85, BGHZ 99, 228 unter II 5 und vom 19. Mai 2004 – IV ZR 176/03, NJW-RR 2005, 260 juris Rn. 21).
(…)
dd) Zudem ist für ihn nicht erkennbar, nach welchen Maßstäben sich die Subsidiarität von Heilbehandlungen gegenüber anderen Maßnahmen beurteilen soll. Übernimmt der Versicherer – wie hier der Beklagte – die Kosten einer „medizinisch notwendigen“ Heilbehandlung ohne für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbare Einschränkungen, so kann er ihn schon nicht auf einen billigeren oder den billigsten Anbieter einer Heilbehandlung verweisen, die er für medizinisch gleichwertig hält (Senatsurteil vom 12. März 2003 – IV ZR 278/01, BGHZ 154, 154 unter II 2 b bb). Das gilt erst recht, wenn sich der Versicherungsnehmer in Bezug auf das Ausgangsleiden bislang keiner medizinischen Heilbehandlung unterzogen, sondern auf ein Hilfsmittel zurückgegriffen hat, das lediglich geeignet ist, eine Ersatzfunktion wahrzunehmen, ohne den eigentlichen regelwidrigen Körperzustand zu beseitigen.“
Jüngst entschied das Landgericht Augsburg mit Urteil vom 21.01.2022 in einer solchen Konstellation. Das Landgericht erteilte der Versicherung eine ganz klare Absage bei der Argumentation der Ablehnung der Versicherungsleistung. Denn auch in diesem Verfahren verweigerte die private Krankenversicherung die Übernahme der Kosten der ärztlichen Heilbehandlung zunächst unter Verweis auf die durch sie behauptete fehlende medizinische Notwendigkeit. Ganz offensichtlich rechnen die Krankenversicherer in diesen Fällen damit, dass die Mehrzahl der Versicherungsnehmer die Entscheidung über die Ablehnung der Kostenübernahme kommentarlos akzeptieren.
Hierzu können wir unter keinen Umständen ohne Rücksprache mit dem Arzt und einem auf Medizinrecht spezialisierten Anwalt raten. Auch wir prüfen diese Argumentation der Versicherung ganz genau und argumentieren mit der Rechtsprechung unter ärztlicher Beratung an Ihrem konkreten Einzelfall. Denn auch die Behauptung der Versicherer, es handele sich bei einem refraktiven Linsenaustausch um eine „risikobehaftete Life-Style OP“, ist schlechterdings nicht korrekt. Ein von der Versicherung in Auftrag gegebenes Gutachten, würde dies bestätigen, so oft die Begründung. Diesen Einwand können wir im Einzelfall durch ärztliche Stellungnahmen widerlegen, was zur Einholung eines neutralen Gutachtens führt.
Auch die Augsburger Richter führten in ihrem Urteil überzeugend aus, dass der Patient und Versicherungsnehmer, welcher vor der Behandlung von dem Arzt aufgeklärt wurde, gerade keiner Bevormundung durch seinen Krankenversicherer steht, welcher ihm vorgeben möchte, welche Risiken er eingehen sollte und welche nicht. Wir sind davon überzeugt, dass auch diese Entscheidung eine positive Signalwirkung entfalten und private Krankenversicherer dazu motivieren wird, berechtigte Ansprüche nicht mehr mit pauschalen Verweisen auf allgemeine Risken abzulehnen.