ERSTATTUNGSANSPRUCH FÜR AUFGENOPERATIONEN

Erstattungsanspruch für Augenoperationen (z.B. refraktiver Linsentausch, Lasik-Behandlung) im Bereich der Privaten Krankenversicherung

Nicht selten lehnen Krankenversicherer pauschal die Kostenübernahmepflicht für einzelne Augenoperationen ab und behaupten, es handele sich um eine Life-Style Operation, die durch Brillen korrigiert werden könne. Zudem verweisen Sie auf die Operationsrisiken, um sich so der Zahlungspflicht zu entziehen. Auf Grund dessen wurde vermehrt gegen die privaten Krankenversicherer -mit Erfolg- geklagt.

Ausgangspunkt der Erstattungsansprüche privat Krankenversicherter gegen ihre Versicherung ist § 192 Abs. 1 VVG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 2 MB/KK (Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung). Danach besteht grundsätzlich der Erstattungsanspruch, wenn eine Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliegt, für die eine medizinisch notwendige Heilbehandlung indiziert ist.

Was ist eine Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen?

Klassischerweise werden Fehlsichtigkeiten wie die Kurzsichtigkeit (Myopie) oder die Weitsichtigkeit (Hyperopie) als Krankheiten im Sinne des Erstattungsanspruches angesehen. Aber auch eine Hornhautverkrümmung (Astigmatismus) kann eine Krankheit darstellen. Gemein ist allen drei Augenerkrankungen, dass sie korrekturbedürftig sein müssen, um als Krankheit im Sinne des Versicherungsrechts zu gelten. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn die betroffenen Patienten Hilfsmittel wie Brillen oder Kontaktlinsen verwenden.

Ebenfalls als Krankheit anzusehen sind Grüner Star (Glaukom) und Grauer Star (Katarakt). Allein problematisch ist lediglich die Beurteilung der Altersweitsichtigkeit (Presbyopie).

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 29.03.2017 (Az.: IV ZR 533/15 -, zu einer Lasik-Operation) klargestellt, dass bei Fehlsichtigkeiten das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Krankheit nicht mit dem Argument verneint werden kann, dass sie auf einem natürlichen Alterungsprozess beruht und bei 30-40 % der Menschen im mittleren Alter auftritt. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse, auf dessen Verständnismöglichkeiten es bei der Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen ankommt, wird davon ausgehen, zum Normalzustand der Sehfähigkeit gehöre ein beschwerdefreies Lesen und eine gefahrenfreie Teilnahme am Straßenverkehr; er wird das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Krankheit annehmen, wenn bei ihm eine nicht nur ganz geringfügige Beeinträchtigung dieser körperlichen Normalfunktion vorliegt, die ohne Korrektur ein beschwerdefreies Sehen nicht ermöglicht. Die Korrekturbedürftigkeit eines Zustands, der ohne seine Beseitigung oder die Anwendung von Hilfsmitteln wie Brille oder Kontaktlinsen die genannten Einschränkungen im täglichen Leben mit sich bringt, steht aus medizinischer Sicht außer Frage.

Somit hängt es von der Beurteilung im Einzelfall ab, ob die Altersweitsichtigkeit als Krankheit anzusehen ist oder nicht. Besteht die Altersweitsichtigkeit in Kombination mit einer weiteren Augenerkrankung, dürfte es wohl für den Versicherer schwer werden, diese nicht als Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinne zu klassifizieren.

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Was ist eine Heilbehandlung im versicherungsrechtlichen Sinn?

Als Heilbehandlung gelten nach ständiger Rechtsprechung jede ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her auf Heilung, Besserung oder Linderung der Krankheit abzielt (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 29.03.2017, Az. IV ZR 533/15).

Darauf, ob die Durchführung der angedachten Therapie geeignet ist, die Fehlsichtigkeit zu korrigieren, kommt es bei der Prüfung der Frage, ob eine Heilbehandlung vorliegt, noch nicht an.

Wann besteht die medizinische Notwendigkeit zur operativen Korrektur?

Bei der medizinischen Notwendigkeit handelt es sich meist um den umstrittensten Punkt zwischen dem Versicherungsnehmer und der Versicherung. Vor Gericht kann es dann häufig notwendig werden, einen sachverständigen Gutachter hinzuzuziehen, der die medizinische Notwendigkeit im Einzelfall beurteilt.

Im Grundsatz ist von der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung dann auszugehen, wenn eine Behandlungsmethode zur Verfügung steht und angewandt worden ist, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken. Steht diese Eignung nach medizinischen Erkenntnissen fest, ist grundsätzlich eine Eintrittspflicht des Versicherers gegeben (BGH, Urteil vom 29. März 2017, Az. IV ZR 533/15).

Medizinisch notwendig kann eine Behandlung aber auch dann sein, wenn ihr Erfolg nicht sicher vorhersehbar ist. Es genügt insoweit, wenn die medizinischen Befunde und Erkenntnisse es im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar erscheinen lassen, die Behandlung als notwendig anzusehen (BGH, Urteil vom 8. Februar 2006, Az. IV ZR 131/05; Urteil vom 21. September 2005, Az. IV ZR 113/04).

Aufgrund der Vielzahl von Behandlungsmethoden und Krankheitsbildern ist die Rechtsprechung nicht in jedem Fall einheitlich. Dabei tragen auch Streitigkeiten um die Art der Abrechnung der jeweiligen Behandlung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) dazu bei, die Rechtslage noch unklarer erscheinen zu lassen.

Ungeachtet von den gebührenrechtlichen Streitigkeiten im Einzelfall möchten wir nachfolgende Entscheidungen zu verschiedenen Behandlungsmethoden von Augenerkrankungen darstellen, in denen wir unsere Mandanten bereits erfolgreich vertreten konnten.

LASIK

Der BGH hat bereits 2017 (Urteil vom 29.03.2017, Az. IV ZR 533/15) entschieden, dass eine Lasik-Operation an den Augen bei Myopie medizinisch notwendig sein kann. Dabei muss sich der Patient nicht auf das Tragen von Brillen oder Kontaktlinsen verweisen lassen:

„Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kann die medizinische Notwendigkeit der Operation dabei nicht bereits mit Hinweis auf die Üblichkeit des Tragens einer Brille oder von Kontaktlinsen verneint werden.

aa) Das Tragen einer Sehhilfe stellt in Bezug auf die Fehlsichtigkeit der Klägerin keine Heilbehandlung dar. Brillen und Kontaktlinsen sind lediglich Hilfsmittel, mit denen körperliche Defekte über einen längeren Zeitraum ausgeglichen werden. Mit der Sehhilfe wird demnach – für den Einsatz von Hilfsmitteln kennzeichnend – unmittelbar eine Ersatzfunktion für ein krankes Organ wahrgenommen, ohne dessen Funktionsfähigkeit wieder herzustellen (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 1986 – IVa ZR 78/85, BGHZ 99, 228 unter II 5 und vom 19. Mai 2004 – IV ZR 176/03, NJW-RR 2005, 260 juris Rn. 21). (…)

dd) Zudem ist für ihn nicht erkennbar, nach welchen Maßstäben sich die Subsidiarität von Heilbehandlungen gegenüber anderen Maßnahmen beurteilen soll. Übernimmt der Versicherer – wie hier der Beklagte – die Kosten einer „medizinisch notwendigen“ Heilbehandlung ohne für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbare Einschränkungen, so kann er ihn schon nicht auf einen billigeren oder den billigsten Anbieter einer Heilbehandlung verweisen, die er für medizinisch gleichwertig hält (Senatsurteil vom 12. März 2003 – IV ZR 278/01, BGHZ 154, 154 unter II 2 b bb). Das gilt erst recht, wenn sich der Versicherungsnehmer in Bezug auf das Ausgangsleiden bislang keiner medizinischen Heilbehandlung unterzogen, sondern auf ein Hilfsmittel zurückgegriffen hat, das lediglich geeignet ist, eine Ersatzfunktion wahrzunehmen, ohne den eigentlichen regelwidrigen Körperzustand zu beseitigen.“

Jüngst entschied das Landgericht Augsburg mit Urteil vom 21.01.2022 in einer solchen Konstellation. Das Landgericht erteilte der Versicherung eine ganz klare Absage bei der Argumentation der Ablehnung der Versicherungsleistung. Denn auch in diesem Verfahren verweigerte die private Krankenversicherung die Übernahme der Kosten der ärztlichen Heilbehandlung zunächst unter Verweis auf die durch sie behauptete fehlende medizinische Notwendigkeit. Ganz offensichtlich rechnen die Krankenversicherer in diesen Fällen damit, dass die Mehrzahl der Versicherungsnehmer die Entscheidung über die Ablehnung der Kostenübernahme kommentarlos akzeptieren.

Hierzu können wir unter keinen Umständen ohne Rücksprache mit dem Arzt und einem auf Medizinrecht spezialisierten Anwalt raten. Auch wir prüfen diese Argumentation der Versicherung ganz genau und argumentieren mit der Rechtsprechung unter ärztlicher Beratung an Ihrem konkreten Einzelfall. Denn auch die Behauptung der Versicherer, es handele sich bei einem refraktiven Linsenaustausch um eine „risikobehaftete Life-Style OP“, ist schlechterdings nicht korrekt. Ein von der Versicherung in Auftrag gegebenes Gutachten, würde dies bestätigen, so oft die Begründung. Diesen Einwand können wir im Einzelfall durch ärztliche Stellungnahmen widerlegen, was zur Einholung eines neutralen Gutachtens führt.

Auch die Augsburger Richter führten in ihrem Urteil überzeugend aus, dass der Patient und Versicherungsnehmer, welcher vor der Behandlung von dem Arzt aufgeklärt wurde, gerade keiner Bevormundung durch seinen Krankenversicherer steht, welcher ihm vorgeben möchte, welche Risiken er eingehen sollte und welche nicht. Wir sind davon überzeugt, dass auch diese Entscheidung eine positive Signalwirkung entfalten und private Krankenversicherer dazu motivieren wird, berechtigte Ansprüche nicht mehr mit pauschalen Verweisen auf allgemeine Risken abzulehnen.

Refraktiver Linsenaustausch

Nach der Rechtsprechung des OLG Stuttgart (Urteil vom 11.04.2019, Az. 7 U 146/18) ist ein refraktiver Linsenaustausch bei leichter Hyperopie und Presbyopie als medizinisch notwendig angesehen worden:

„Der refraktive Linsenaustausch ist geeignet, die Fehlsichtigkeit des Klägers zu beseitigen oder zumindest zu lindern, was der Sachverständige auf Nachfrage im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens bestätigt hat. (…)

Der beidseitige refraktive Linsenaustausch war nach den zuletzt getätigten Ausführungen des Sachverständigen auch indiziert. In den Empfehlungen der Kommission Refraktive Chirurgie (Anl. B 2) heißt es unter Ziffer 8 lit. b zum Anwendungsbereich des refraktiven Linsenaustauschs mit einer multifokalen IOL nämlich: „Hyperopie sowie hohe Myopie (> -6 dpt) bei gleichzeitig bestehender Presbyopie. Bei gleichzeitig bestehendem Astigmatismus kann sowohl eine torische IOL als auch ein Laserverfahren gemäß 1.1 bzw. 1.2 oder eine AK gemäß 3. angewandt werden“. Unter „Nebenwirkungen“ wird ausgeführt, dass in der Regel weder Fern- noch Lesebrille erforderlich seien, dass es jedoch zu einer Verschlechterung des Dämmerungssehvermögens mit Wahrnehmung von Halos und Blendung kommen könne, ferner nach Monaten oder Jahren zu einer sekundären Trübung hinter der neuen Kunstlinse (Nachstar), die mittels eines Lasers ohne erneute Eröffnung des Auges einfach behandelt werden könne. Da bei der Operation das Auge eröffnet werde, könne in extrem seltenen Fällen durch eine Infektion eine Erblindung auftreten. Als „Kontraindikationen“ genannt werden Behandlungen unter dem 18. Lebensjahr. (…)

Da dem Sachverständigen zufolge (S. 4 der Sitzungsniederschrift vom 28.03.2019, Bl. 172) Kontraindikationen nicht vorliegen, könnte eine Indikation allenfalls dann verneint werden, wenn Risiken und Nebenwirkungen so hoch wären, dass sie bereits aus objektiver Sicht die Vornahme des Linsenaustauschs beim Kläger ausschließen würden (vgl. LG Köln, Urteil vom 18.07.2012 – 23 O 213/11 -, VersR 2013, 54, Tz. 16; Kalis in Münchener Kommentar zum VVG, 2. Aufl. 2016, Rn. 23 zu § 192). Hierfür ist vorliegend jedoch nichts ersichtlich.“

Femtosekundenlaser

Nach einem Urteil des OLG Naumburg (Urteil vom 09.05.2019, Az. 4 U 28/16) ist die Behandlung eines Katarakts mittels Femtosekundenlaser grundsätzlich als medizinisch notwendig anzusehen:

„Im Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Senat keine Zweifel daran, dass die hier streitigen Heilbehandlungsmaßnahmen medizinisch notwendig waren.

Im Hinblick auf den Einsatz des Femtosekundenlasers ist nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen davon auszugehen, dass die Femtosekundenlaser-assistierte Kataraktoperation geeignet war, die Krankheit des Klägers zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken und wissenschaftlich anerkannt ist. Sie ist eine Methode, mit deren Hilfe getrübte Linsen auf dem menschlichen Auge entfernt werden können und gegenüber der Phakoemulsifikation sogar die höherwertige Alternative, weil neben dem Ultraschall (Phakoemulsifikation) zusätzlich ein Femtosekundenlaser zum Ansatz kommt, mittels dessen Hornhautschnitte angelegt, die vordere Linsenkapsel eröffnet und die Augenlinse zerkleinert wird. Die Sachverständigen haben zudem überzeugend erklärt, ein Überschreiten des aus medizinischer Sicht notwendigen Maßes sei im Falle der Verwendung des Femtosekundenlasers nicht zu erkennen.“

Zusammenfassung

Sobald alle drei Voraussetzungen – Krankheit, Heilbehandlung, medizinische Notwendigkeit – erfüllt sind, haben Sie als privat Krankenversicherter Anspruch dem Grunde nach auf Erstattung der Heilbehandlungskosten gegen Ihre Versicherung. Grenzen können sich durch die sog. Übermaßbehandlung oder durch die konkrete Abrechnung der behandelnden Ärzte ergeben.

Wir sind als im Medizinrecht tätige Anwälte auf derartige Rechtsfälle spezialisiert und können daher auf eine umfassende Expertise zurückgreifen, um Sie hierzu zu beraten und Sie bei der Durchsetzung Ihrer berechtigten Ansprüche unterstützen. Oftmals führt bereits ein klares außergerichtliches Anwaltsanschreiben zur Zahlung der Versicherung, sodass ein gerichtlicher Prozess vermieden werden kann.

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EUGH-URTEIL ZU KOPIERKOSTEN VON PATIENTENAKTEN

Eine neue wegweisende Entscheidung des EuGH:

Ärzte müssen die erste Kopie der Patientenakte an den Patienten ohne Berechnung der hierbei entstehenden Kopierkosten herausgeben

Urteil des EuGH vom 26.10.2023 - C-307/22

Der deutschen Regelung, wonach Patienten den Ärzten oder Krankenhäusern vorab die Kopierkosten ihrer Patientenakte bezahlen müssen, wurde durch den EuGH eine Absage erteilt. Nachdem der Patient bisher nach der deutschen Rechtsprechung die Kopie seiner Krankenakte nur erhielt, wenn er die angemessenen Kopierkosten hierzu zahlte, müssen nun Ärzte und Krankenhäuser ihren Patienten unentgeltlich eine erste Kopie ihrer Patientenakte herausgeben. Erst für eine zweite Kopie oder die Anforderung durch Erben oder Angehörige darf der bisher beanspruchte Kostenersatz verlangt werden. Anderweitige deutsche Regelungen verstoßen – so die Richter des EuGH in Brüssel- gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

Im Streitfall hatte ein Patient den konkreten Verdacht, dass seiner Zahnärztin ein Behandlungsfehler unterlaufen ist. Um dies überprüfen zu können, verlangte er von ihr eine Kopie seiner Patientenakte heraus.

Nach der Rechtsprechung des BGH konnten die Ärzte und Krankenhäuser hierfür bis dato Ersatz der angemessenen Kosten verlangen, die ihnen durch das Kopieren der Patientendokumentation entstanden. Der Patient war in dem dortigen Streitfall allerdings der Ansicht, dass ihm die Kopie seiner Patientendokumentation unentgeltlich zustehe. Der Bundesgerichtshof hatte hierzu mit Beschluss vom 29.03.2022 Az. VI ZR 1352/20 die Angelegenheit an den EuGH verwiesen, der den unentgeltlichen Anspruch auf Aushändigung der Kopien sämtlicher Behandlungsdaten bestätigte.

Wird die Patientenakte elektronisch geführt, dann muss eine manipulationssichere Software verwendet werden. In diesem Fall kann die Patientenakte auch elektronisch übergeben werden.

Während die Patientenakte nach dem Patientenrechtegesetz unverzüglich herauszugeben ist, haben nunmehr die Ärzte und die Krankenhäuser die Daten innerhalb von 4 Wochen an den anfragenden Patienten herauszugeben. (Muster eines Schreibens s.u.)

Welche Daten werden hiervon erfasst?

Hierbei gilt der bisherige Grundsatz der Vollständigkeit der Patientendokumentation. Damit müssen alle in der Akte enthaltene Dokumente zur Verfügung gestellt werden, soweit diese zum Verständnis für den Patienten erforderlich sind. Umfasst sind danach sämtliche Akteninhalte und damit Daten aus der Patientenakte, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte oder Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen, enthalten.

Entgegenstehende deutsche Regelungen sind danach nicht mit der DSGVO vereinbar, selbst dann nicht mit dem Blick auf den Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Behandelnden.

Dies gilt auch, soweit nach § 603 g Abs. 2 S. 2 BGB der Patient die Kosten für eventuell anzufertigende Abschriften dem Behandelnden zu erstatten hat. Denn eine Begründung für den Verwendungszweck muss der Patient nicht liefern. Er muss auch nicht darlegen, dass sein auf die DSGVO gestützter Anspruch keinen datenschutzrechtlichen Hintergrund hat.

Damit kommt es am Ende auch nicht mehr auf die Beweggründe des Einsichtsrechts an.

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Welche Ausnahmen gibt es hierzu?

Handelt es sich jedoch um „mehrere Leitzordner“, kann ein Kostenforderung im Einzelfall durchaus gerechtfertigt sein. So heißt es in dem vorstehenden Urteil des EuGH:


Folglich ergibt sich aus Art. 12 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO zum einen, dass die betroffene Person einen Anspruch darauf hat, eine erste unentgeltliche Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind, zu erhalten, und zum anderen, dass dem Verantwortlichen unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit eingeräumt wird, entweder ein angemessenes Entgelt zu verlangen, bei dem die Verwaltungskosten berücksichtigt werden, oder sich zu weigern, aufgrund des Antrags tätig zu werden, wenn dieser Antrag offenkundig unbegründet oder exzessiv ist.


Aber auch in diesem Fall dürfen Arzte und Krankenhäuser nur die Kopien selbst in Rechnung stellen, nicht aber zusätzlich den Arbeitsaufwand des Personals bei der Anfertigung der Kopien. Weder der EBM noch die GoÄ enthalten entsprechende Abrechnungsziffern. Eine weitere Ausnahme betrifft Erben und Angehörige, die die Unterlagen eines Verstorbenen anfordern. Diese haben wie bisher die angemessenen Kosten der Kopien zu zahlen, unabhängig davon, ob sie sich auf den Datenschutz oder das Patientenrecht des Patienten berufen.

In den begründeten Fällen des § 630 g Abs. 1 BGB ist aus therapeutischen Gründen oder bei „sonstigen entgegenstehenden erheblichen Rechten Dritter“ durch den Arzt oder dem Krankenhaus darzulegen, warum diese die Herausgabe der Patientenakte aus (datenschutzrechtlichen) Gründen verweigern.

Muster eines Schreibens - EINSCHREIBEN MIT RÜCKSCHEIN

Herausgabe der Patientenunterlagen nach der DSGVO
Ihr Patient:
Behandlungszeitraum:

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der im Betreff genannten Angelegenheit bitte ich Sie höflichst um die Übersendung

– sämtlicher Behandlungsunterlagen (ambulant, sowie ggf. stationär und fremdbefundlich) einschließlich der
– vollständigen Bilddiagnostik;
– Berichtigungen und Änderung von Eintragungen sind neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar zu machen (§ 630f BGB).

die über die Behandlung meiner Person gefertigt wurden in Form der Herausgabe der Kopien, mithin einer kompletten und vollständigen Dokumentation in Papier- oder digitaler Form, einschließlich Duplikaten von Röntgenaufnahmen sowie Kopien anderer bildgebender Verfahren und Dokumentationen in digitaler Form sowie lesbare Abschriften bei handgeschriebener Dokumentation und Kürzel innerhalb der kommenden 4 Wochen.

Ich weise Sie darauf hin, dass Sie zur Herausgabe meiner vollständigen Patientendokumentation gem. § 630g BGB i. V. m. Art. 15 Abs. 3 DSGVO verpflichtet sind.

Art. 15 Abs. 3 DSGVO sieht grundsätzlich die kostenfreie Bereitstellung der Datenkopie vor, sofern diese erstmalig – wie in diesem Fall geschehen – angefordert wird. Anderenfalls bitte ich höflichst um Mitteilung, wer diese Akte bereits angefordert hat. In diesem Fall werde ich die üblichen Kosten hierfür tragen.

Für Ihre Bemühungen bedanke ich mich und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen

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