CYTOTEC - FLUCH ODER SEGEN BEI DER BEGURTSEINLEITUNG?

Wann muss das Klinikum bei der Gabe von Cytotec für einen Geburtsschaden zahlen?

Das LG Berlin spricht dem Geschädigten 300.000,00 EUR Schmerzensgeld zu, aber nicht, weil die Anwendung des Medikamentes ein Fehler ist, sondern weil die Mutter nicht über die Gabe und den damit möglicherweise verbundenen Risiken aufgeklärt wurde.

Immer wieder gibt es Berichte, Skandale und Aufregung über das Medikament Cytotec. Anfang 2020 brach die Diskussion um das Medikament Cytotec unter Betroffenen und Ärzten gleichsam erneut aus. Die Tagespresse berichtete deutschlandweit über das Medikament und den, bei dessen Anwendung im Rahmen der Geburtseinleitung beobachteten, teils sehr schweren, Komplikationen. Zahlreiche Betroffene hegten nun den Verdacht, dass die von ihnen erlittenen Geburtsschäden im Zusammenhang mit der Gabe von Cytotec stehen könnten. Binnen einer Woche gingen mehr als 250 Verdachtsmeldungen bei dem Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein. 

Auch das Berliner Landgericht hatte über einen Fall zu entschieden, bei dem es durch die Gabe von Cytotec zu Komplikationen unter der Geburt und zu schweren gesundheitlichen Einschränkungen des Kindes kam. Geklagt hatte ein 11-Jähriger Junge im Namen seiner Eltern, der im November 2009 per Notkaiserschnitt zur Welt kam, nachdem seine Mutter das Präparat Cytotec zur Geburtseinleitung erhielt. Durch die komplizierte Geburt ist der Kläger heute schwerbehindert. Neben einer Entwicklungsretardierung leidet er unter anderem auch unter einer infantilen Zerebralparese (einer Bewegungsstörung durch eine frühkindliche Hirnschädigung), unter einer Mikrozephalie (einer Störung bei der der Kopf eine verhältnismäßig kleine Größe aufweist), unter einer Hüftluxation, unter Schielen und einer Muskelhypotonie.

Am 02. Juli 2020 sprach das Gericht dem Jungen für das Erleiden dieser Gesundheitsschäden ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 EUR zu. Der Haftungsgrund lag aber nicht -wie sooft publiziert- in der Medikamentengabe als Fehler. Vielmehr konnte das beklagte Klinikum in dem Rechtsstreit nicht beweisen, die Mutter des zu gebärenden Kindes ordnungsgemäß über die Einleitung der Geburt mit Cytotec aufgeklärt zu haben. Damit war die Einwilligung der Mutter des Klägers in die Gabe von Cytotec und damit in die Einleitung der vaginalen Geburt unwirksam und diese infolgedessen rechtswidrig, § 630d Abs. 2 BGB. Aus diesem Grund heraus musste das Klinikum dem Jungen den Schadensersatz leisten.

1. Aufklärung

„Aber ich habe doch unterschieben?“

Vor der Behandlung muss der Patient „im Großen und Ganzen“ über die nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken einer ordnungsgemäßen Behandlung, insbesondere Art, Bedeutung, Verlauf und Folgen des Eingriffs aufgeklärt werden. So definiert der BGH in seiner Entscheidung (BGH NJW 2019, 1283, 1284) die Grundaufklärung eines Patienten, damit dieser wirksam in die Behandlung einwilligen kann. Fehlt es an einer solchen Grundaufklärung, dann haftet der Arzt auch für den Eintritt fern liegender Risiken. In diesem Fall ist die zuvor erteilte Einwilligung des Patienten, z.B. durch Unterschrift auf dem Aufklärungsbogen unbeachtlich. Denn bei fehlender Grundaufklärung ist das Selbstbestimmungsrecht des Patienten im Kern genauso verletzt, als wenn der Arzt den Eingriff auch gänzlich ohne dessen Zustimmung vorgenommen hätte. Danach haftet der Arzt sogar bei ausgebliebener oder bei fehlerhafter Grundaufklärung auch dann, wenn sich anstatt des aufklärungspflichtigen Risikos, ein nur äußerst seltenes, nicht aufklärungspflichtiges Risiko verwirklicht hat. Dies entschied der BGH in seinem Urteil vom 28. Mai 2019 – VI ZR 27/17.

 

In einem Prozess gegen ein Klinikum oder den behandelnden Arzt müssen daher diese den Nachweis einer vollständigen und rechtzeitigen Aufklärung führen. In dem Fall der Anwendung des Medikamentes Cytotec ist den dortigen Ärzten dieser Nachweis nicht gelungen, die Mutter hiervon informiert zu haben, so dass die Gabe von Cytotec unter der Geburtseinleitung nicht mehr von der Zustimmung der Mutter zur Entbindung von ihrem Sohn gedeckt war.  

 

Die Besonderheit bei Cytotec ist darüber hinaus dessen fehlende Zulassung in der Gynäkologie, dem sog. Off-Label-Use. Diese fehlende Zulassung führt jedoch nicht per se zu der Unzulässigkeit seines Einsatzes. Der Pharmahersteller hat sich nur bewusst dagegen entschieden, die Zulassung für diese Anwendung -aus welchen Gründen auch immer- zu beantragen. Dem Arzt ist es im Rahmen seiner Therapiefreiheit gestattet, auch nicht zugelassene Arzneimittel bzw. Arzneimittel außerhalb des zugelassenen Indikationsgebietes anzuwenden. Ein Off-Label-Use ist damit auch zulässig, wenn der Arzt sämtlicher Vor- und Nachteile des nicht zugelassenen Medikaments im Vergleich zu den zugelassenen Substanzen abwägt und sich für ihn ein Nutzen ergibt, sofern er dieses Wissen an den Patienten weitergibt.

 

Denn der Patient muss auf den Umstand des Off-Label-Use ausdrücklich hingewiesen werden. Er muss damit die Chance bekommen, die von dem Arzt geschilderten Vor- und Nachteile sorgsam abzuwägen, um für sich eine Entscheidung zu treffen.

 

Dieser allgemeine Grundsatz ist auch auf die Gabe von Cytotec unter der Geburtseinleitung anzuwenden. Ärzte kritisieren dies gelegentlich, denn Cytotec wird von namenhaften Geburtsmedizinern in ganz Deutschland seit Jahrzehnten zur Geburtseinleitung angewandt. Dennoch ist der jahrzehntelange Einsatz keine Legitimation zur unaufgeklärten Anwendung. Denn dem Patienten muss nach wie vor die Möglichkeit eröffnet werden, sich über die Gründe für die Nichtzulassung des Medikaments in Deutschland zu informieren und in seine Entscheidungsfindung einzubeziehen. Egal, ob das Fehlen einer arzneimittelrechtlichen Zulassung wirtschaftliche oder medizinische Gründe hat.

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2. Ist die Gabe von Cytotec ein Behandlungsfehler?

In dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Berlin konnte die Frage nach dem Behandlungsfehler selbst offenbleiben, da bereits keine ordnungsgemäße Grundaufklärung der Mutter des dortigen Klägers erfolgte. Nur wenn die beklagten Ärzte hätten beweisen können, dass der Mutter eine allgemeine Vorstellung über die Art der Belastung und die Schwere des Eingriffs sowie die spezifischen Risiken einer Geburtseinleitung durch die Einnahme von Cytotec erklärt wurden, dann wäre die Frage eines behaupteten Behandlungsfehlers bei der Anwendung zu prüfen gewesen. Hierzu kam es nicht, da die Anwendung mangels Zustimmung der Mutter nicht rechtmäßig war und bereits die Haftung des Klinikums auslöste.

Haftungsauslösend war daher ausschließlich die fehlende Aufklärung der Mutter des Klägers über die Behandlungsalternativen und über die Risiken des Präparats. Denn wäre sie von den Behandlern über die Risiken des Präparats, sowie dessen Anwendung außerhalb des eigentlichen Zulassungsbereiches informiert worden, so hätte sie sich unter Inkaufnahme der Risiken direkt für einen Kaiserschnitt entschieden, so die Argumentation der Mutter.

Ohne die Gabe von Cytotec- so führte der gerichtlich bestellte Sachverständige aus- wäre es zu keiner Plazentaablösung und damit auch nicht zu den schwerwiegenden körperlichen und geistigen Einschränkungen des Kindes gekommen.

Das Gericht nahm auch keine hypothetische Einwilligung der Kindesmutter an. Für eine hypothetische Aufklärung sei gedanklich immer die Hypothese einer ordnungsgemäßen Aufklärung vorauszusetzen. Dem Klinikum sei in dem Rechtsstreit jedoch der Nachweis nicht gelungen, dass die Mutter des Klägers sich auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu einer Geburtseinleitung mit Cytotec entschieden hätte.

3. Was ist Cytotec und darf der Arzt es überhaupt zur Geburtseinleitung einsetzen?

Das Medikament Cytotec (Wirkstoff Misoprostol) ist ein Medikament zur Vorbeugung und Behandlung von arzneimittelbedingten Magenschleimhautschädigungen. Internistisch wird es zudem zur Behandlung von akuten Zwölffingerdarmgeschwüren eingesetzt.

Viele deutsche Geburtshelfer wenden Cytotec jedoch außerhalb des Zulassungsbereiches im Rahmen der Geburtshilfe an. Auf Grund bestimmter Risikokonstellationen und entsprechenden Publikationen zählt Cytotec heute zu den meist umstrittensten Wirkstoffen. Sogar das Bundesinstitut für Arzneimittel warnt vor den erheblichen Nebenwirkungen bei der off-label Anwendung des Medikamentes in den sogenannten „Rote-Hand-Briefen“ des BfArM aus den Jahren 2017, 2020.

Der Einsatz von Cytotec zur Geburtseinleitung kann einen Gebärmutterrisses oder einen Wehensturm auslösen und damit erhebliche Gefahren für Mutter und Kind schaffen. Unter anderem führt eine Plazentaablösung zu einer Reduzierung der Sauerstoff- und Nährstoffversorgung des Fötus und damit zu der Gefahr eines Hirnschadens, einer globale Entwicklungsstörungen und geistige Entwicklungsverzögerungen. Einige Mütter seien an der Einnahme des Präparats verstorben. Die meisten Kliniken verteidigen den Einsatz von Cytotec und auch die deutsche Gesellschaft für Gynäkologie befürwortet ausdrücklich den Einsatz des Wirkstoffs Misoprestol im Rahmen der Geburtshilfe.

Für die Betroffenen Familien, bei denen es durch Cytotec zu Komplikationen oder gar dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Mutter oder Kind kam, scheint das unverständlich, da sie an den Folgen ein Leben lang leiden.
Der Hersteller hat das Präparat bereits im Jahr 2006 vom deutschen Markt genommen, als sich die ersten Verdachtsmeldungen häuften. Dennoch wird Cytotec weiterhin eingesetzt, zum Teil als Re-Import aus dem Ausland bezogen. So kommt es bis heute weiterhin zu schweren Geburtsschäden und Komplikationen im Zusammenhang mit der Gabe von Cytotec bei der Einleitung der Geburt.

4. Was können Sie tun, wenn auch Sie Cytotec erhalten und hierdurch ei-nen Schaden erlitten haben?

Trotz der vermeintlich verbesserten Stellung des Patienten durch das Patientenrechtegesetz trifft die Beweislast eines Behandlungsfehlers und dem darauf beruhenden kausalen Schaden immer den Patienten mit nur einigen wenigen Ausnahmefällen, wie dem groben Behandlungsfehler und der korrekten Aufklärung. Denn im Rahmen der Selbstbestimmungsaufklärung muss der ärztliche Behandler die korrekte Aufklärung des Patienten nachweisen.

Daher muss im Einzelfall anhand der Patientendokumentation geprüft werden, ob Ihnen Schadensersatzansprüche zustehen und welche Chance Sie haben, diese auch gegenüber dem Arzt durchzusetzen. Leider sind diese Fragen nicht pauschal zu beantworten, sondern bedürfen der sorgfältigen Prüfung durch einen qualifizierten Fachanwalt für Medizinrecht. Denn dieser wird an Hand der -möglicherweise nicht auf den ersten Blick erkennbaren Details Ihrer Fallgestaltung und in akribischer Prüfung der Dokumente- beraten und alle Wege aufzeigen, um Ihre berechtigten Interessen durchzusetzen.

Hierzu stehen Ihnen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung:

  • Wenn Sie gesetzlich krankenversichert sind, wenden Sie sich an Ihre Krankenkasse. Diese hilft Ihnen, wenn Sie das Vorliegen eines Behandlungsfehlers vermuten. Sie erstellt kostenlos ein medizinisches Gutachten durch den MD.
  • Sie können sich auch direkt an Ihren Behandler wenden, Ihren Anspruch geltend machen und um Zustimmung zur Durchführung eines Schlichtungsverfahrens bei der für Ihren Fall zuständigen Schlichtungsstelle bitten. 
  • Gern können Sie sich auch direkt an uns wenden. Wir werden die Patientenakte anfordern und Sie sodann ausführlich über Ihre Rechte und Ihre Chancen informieren.

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SCHMERZENSGELD WEGEN JAHRELANGER ÜBERDOSIERUNG

Zahlung von 170.000 € Schmerzensgeld wegen jahrelanger Überdosierung des Medikamentes Hepsera® nach Lebertransplantation:

Schadensersatz des Patienten auf Grund fehlerhafter Medikation

Landgericht Gera, Vergleich v. 16.08.2018, Az.: 4 O 1109/14

Unser Mandant und Patient der Universitätsklinik Jena wurde im Jahr 2006 für eine Lebertransplantation in der beklagten Klinik vorbereitet. Ursächlich für die Transplantation der Leber war eine Hepatitis B Erkrankung mit Beteiligung des Delta-Virus und einer konsekutiver Leberzirrhose. Die Transplantation war für unseren Mandanten alternativlos.

Im April 2017 konnte eine erste Lebertransplantation durchgeführt werden. Es kam im Rahmen der Lebertransplantation zu einem akuten, ersatzpflichtigen Nierenversagen. Aufgrund des komplizierten Verlaufs nach der ersten Lebertransplantation mit Transplantatversagen, musste drei Tage später eine erneute Transplantation durchgeführt werden, die erfolgreich verlief. In der Folge musste nochmals eine Relaparotomie durchgeführt werden. Der Patient bekam zur Reinfektionsprophylaxe der Hepatis B die Medikamente Epivir und Hepsera® 10mg (1-mal tgl.) auch nach der Transplantation bis ins Jahr 2013 verabreicht, ohne die Dosierung des Medikamentes Hepsera® aufgrund der geänderten Nierenfunktionswerte anzupassen. Zum Zeitpunkt der Transplantation lagen bei dem Patienten derart pathologische Nierenfunktionswerte vor, so dass nach der Fachinformation für Hepsera® die Gabe nicht mehr empfohlen wird und nur in Betracht gezogen werden sollte, wenn der mögliche Nutzen das mögliche Risiko überwiegt. Im vorliegenden Fall überwog der Nutzen das Risiko nicht, sondern es lag sogar eine Kontraindikation vor.

Dennoch wurde dem Patienten ab 2009 über mehrere Jahre das Medikament Hepsera® in unverändert hoher Dosis verabreicht.

Hepsera® kann sowohl eine Myopathie als auch einen tubulointerstitiellen toxischen Schaden und eine Osteoporose bzw. Osteopenie begünstigen. Auch kann die Überdosierung zu einer Verschlechterung eine vorbestehende Nierenfunktionsstörung führen.

Eine Dosierungsanpassung ist im gegebenen Zeitraum trotz nephrologischer und transplantationsmedizinischer Nachkontrollen und dem Hinweis der Nachbehandler behandlungsfehlerhaft unterblieben.

Hierdurch erlitt unser Mandant schwere Dauerschäden, nämlich Dauerschmerzen im gesamten Körperbereich, schwere Schädigung der transplantierten Leber in Folge der fehlenden Weiterbehandlung mit einem antiviralen Medikament nach Absetzen von Hepsera® im Jahr 2013 und der hierdurch aufgetretenen Reinfektion der Leber, massive Schäden der Nieren und ein Hinterwandaneurysma. Der Kläger musste eine Odyssee an Krankenhausaufenthalten und Behandlungen auf sich nehmen, da die spezialisierten Ärzte nicht feststellten, dass die schwere Erkrankung unseres Mandanten eine Nebenwirkung eines überdosierten Medikamentes ist. Es wurde immer behauptet, der Patient leide an seiner Grunderkrankungen, ohne seinen Beschwerden wirklich auf den Grund zu gehen.

Nicht selten leiden Patienten unter den schweren Folgen der Medikamente. Wenn es sich dabei um Beschwerden handelt, die bei korrekter Indikation, Dosierung und Aufklärung entstehen, scheidet eine Haftung des Arztes aus. Denn in diesem Fall handelt es sich um bekannte Nebenwirkungen, die auch bei ordnungsgemäßem Gebrauch entstehen.

Anders hingegen, wenn keine Indikation zur Medikamentengabe besteht. In diesem Fall handelt es sich um einen klassischen Behandlungsfehler, für dessen Folgen der Arzt haftet. Ebenso liegt ein Fall des Behandlungsfehlers vor, wenn das falsche Arzneimittel verordnet oder verabreicht oder fehldosiert wird. Studien zufolge treten die meisten Fehler bei der Verabreichung von Medikamenten auf. Aber auch im Bereich der fehlerhaften Verordnung liegen die Zahlen schon lange nicht mehr im Promillebereich.

Die meisten Medikationsfehler richten glücklicherweise wenig bis gar keinen Schaden an (72%). 2% der Fehler bedingen jedoch schwerwiegende Folgen, im schlimmsten Fall sogar den Tod des Patienten. Die übrigen 26 % leiden an den Nebenwirkungen, die bei richtiger Verordnung nicht aufgetreten wären, sind aber nicht auf Dauer angelegt. Bedenkt man, dass sich viele Patienten blind auf Ihren Arzt verlassen, dann sind diese Zahlen ernüchternd, denn diese Zahlen enthalten noch keine Fehler durch den Patienten selbst.

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (https://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/Medikationsfehler) hat über einen Zeitraum von über zwei Jahren Medikationsfehler erfasst und bewertet. Dabei ist folgende Statistik bei der Anwendung von Medikamenten zu erkennen gewesen:

  • Fehler bei der Einnahme 30 %
  • Fehler bei der Verordnung 28 %
  • Fehler bei der Abgabe 24 %

Dabei war erkennbar, dass die häufigsten Fehler (45%) im Krankenhaus selbst auftraten. In Arztpraxen waren 23% der Fehler zu verzeichnen. 21% der Fehler selbst sind auf die Patienten zurückzuführen.

Die meisten Fehler traten hierbei in der Medikation folgenden Substanzen auf:

  • Bluttransfusion
  • Schmerzmittel
  • Blutgerinnungshammer
  • Diphtherieimpfstoff
  • Zytostatika
  • Tetanusimpfstoff
  • Impfstoff gegen Influenza, Hirnhautentzündung
  • Psychopharmaka

Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie mit einem Medikament fehlerhaft behandelt worden, können Sie uns Ihre Vermutung gern schildern und wir prüfen Ihr Anliegen. Bitte nehmen Sie Kontakt zu uns auf!

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ORGANDSPENDE UNTER LEBENDEN ANGEHÖRIGEN

BGH-Entscheidung vom 11.Februar 2020 – VI ZR 415/18

OLG Jena 7 U 593/17 Vergleichszahlung 100.000,00 EUR

Die Organspende ist ein viel und kontrovers diskutiertes Thema. Nahezu Einigkeit besteht hinsichtlich des Nutzens des Empfängers, wenn dieser für sein eigenes Überleben menschliche Organe zur Transplantation von einem Organspender erhält. Fast jedes Organ -vorausgesetzt ist dessen Gesundheit- kann heute transplaniert werden.

Aber auch Lebendorganspenden sind mittlerweile nicht mehr selten. Hier werden einem gesunden Menschen ohne medizinische Notwendigkeit Organe oder Organteile zur Spende entnommen.

Derzeit werden in Deutschland vor allem Nieren und Teile der Leber von lebenden Spender*innen auf Empfänger*innen übertragen. Medizinisch möglich und gesetzlich erlaubt ist auch die Übertragung eines Teils der Lunge, des Dünndarms und der Bauchspeicheldrüse. Die Lebendorganspende dieser Organe wird jedoch in Deutschland kaum durchgeführt. Die Spende einer Gebärmutter ist hier zutage in der Experimentalphase. 

 

Da bei der Lebendorganspende der Schutz der Gesundheit der Spender*in ein besonders hoher Stellenwert einzuräumen ist, wurde diese gesetzlich sehr streng geregelt und war daher in der jüngsten Vergangenheit gleich mehrfach Verfahrensgegenstand beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe, der die Revisionen in allen Fällen zuließ (Urteile vom 29. Januar 2019 – VI ZR 495/16 und VI ZR 318/17; sowie vom 11.Februar 2020 – VI ZR 415/18).

 

In seinen Urteilen hat der BGH diese Verfahren an das Ausgangsgericht, dem jeweils vorentscheidenden OLG zurückverwiesen, da diese das Aufklärungserfordernis und die Einwilligung des Spenders fehlerhaft bewerteten. Denn nach den Feststellungen des BGH wurden die jeweiligen Kläger, nicht ordnungsgemäß über die gesundheitlichen Folgen der Organentnahme für ihre eigene Gesundheit aufgeklärt. Damit ist die von den Klägern erteilte Einwilligung in die Organentnahme unwirksam und der Eingriff jeweils rechtswidrig. Die transplantierenden Ärzte wandten hiergegen ein, dass die Kläger auch bei korrekter Aufklärung, dem sog. rechtmäßigem Alternativverhalten, in jedem Fall in die Lebendspende eingewilligt hätten.

 

Der für das Arzthaftungsrecht zuständige VI. Zivilsenat des BGH hat in seinen Urteilen zu den Lebendorganspenden auch zu weiteren juristischen Problemen Stellung genommen. Es wurden nämlich zusätzliche Rechtsfragen dergestalt beleuchtet, ob die Anwesenheit eines unbeteiligten Arztes und die qualifizierte Niederschrift tatsächlich „nur“ transplantationsrechtliche Erfordernisse sind oder sogar auf die Einwilligung des Spenders Einfluss nehmen, oder ob die hypothetischen Einwilligung aus dem Patientenrechtegesetz (§ 630 h Abs. 2 Satz 2 BG) gilt, auch wenn es diese nach dem Transplantationsgesetz nicht gibt. Diese Inhalte lassen vermuten, dass die Entscheidungen des BGH bereits an dieser Stelle über den Einzelfall hinausgehend Bedeutung haben werden. Denn aller Voraussicht nach werden diese Feststellungen zukünftig den Maßstab setzen, wie ein potentieller Lebendorganspender aufzuklären ist, um wirksam in die Lebendorganspende einwilligen zu können.

 

Der vorstehende Rechtsstreit (BGH-Entscheidung vom 11.Februar 2020 – VI ZR 415/18; OLG Jena 7 U 593/17) wurde durch unsere Kanzlei, nach dem der BGH die Angelegenheit an das OLG Jena zurückverwiesen hat, verhandelt.

 

Unsere Mandantin wollte ihrer kranken Mutter einen Teil ihrer Leber spenden. Sie nahm jedoch selbst über Jahre hinweg Psychopharmaka ein. Ihre Leber war so vorgeschädigt, dass unsere Mandantin mehr nicht als Spenderin in Betracht kam. Die Universitätsklinik wusste um die Medikamenteneinnahme der Tochter, hat sie aber dennoch als Spenderin zugelassen. Aufgeklärt wurde sie durch einen Facharzt über die Ausführung und die klassischen Komplikationen bei einer Lebensleberspende ohne Hinzuziehung eines unbeteiligten Arztes. Über die möglichen psychischen Folgen für sie nach der Spende wurde sie hingegen nicht aufgeklärt. Unsere Mandantin willigte in die OP ein. Noch während der Operation bemerkten die Ärzte, dass ihre Leber für eine Spende nicht in Betracht kommt und haben die Operation abgebrochen.

Es kam, wie es kommen musste. Unsere Mandantin erlitt verfahrensimmanente Komplikationen, wie Narbenbrüche und eine schwere Depression, an der sie noch heute leidet. Sie entschied sich, das Klinikum zu verklagen und unterlag in zwei Instanzen, bis der BGH die Urteile aus oben benannten Gründen aufhob und das Verfahren zurück an das OLG verwies. Nach einer ausführlichen Beweisaufnahme durch Vernehmung der aufklärenden Ärzte und unserer Mandantin war das Gericht nicht mehr von einer hinreichenden Aufklärung überzeugt und unterbreitete den Parteien den Vergleich, den Rechtsstreit gegen eine Abfindung in Höhe von 100.000,00 EUR zu beenden. Beide Parteien haben diesem Vergleich zugestimmt.

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